Sonntag, 29. Juni 2014

29. Juni, Ingolstadt

Bin zurück in der Komfortzone. Die Haare sind geschnitten und die Fingernägel sauber. Das Essen wird wieder im Kühlschrank aufbewahrt und nicht mehr auf dem Baum. Die Zubereitung erfolgt auf dem Herd mit vielen Töpfen, Pfannen und Kochutensilien und der Spirituskocher hat erst mal Pause. Sauberes Wasser kommt jederzeit in der gewünschten Temperatur aus dem Wasserhahn. Ich weiß das alles sehr zu schätzen, würde aber sofort mit jedem Wanderer tauschen, der sich gerade über die Felsen in Pennsylvania weiter Richtung Maine kämpft.
Womit auch schon die Frage beantwortet wäre, ob ich irgendwann auch den nördlichen Teil des ATs laufen will. Ja, will ich, sind ja nur noch 1.167 Meilen bis Mount Katahdin :-).  Wann und wie wird sich ergeben, es besteht kein Grund zur Eile, da man auch im vorgeschrittenen Alter noch auf dem AT unterwegs sein kann: Eine der tollesten Bekanntschaften, die ich auf dem Trail gemacht habe, war mit der Wanderin "drag'nfly". Das Golden Girl des AT wird jetzt dann 74, hat einen staubtrockenen Humor  und wenn sie es bis Maine schafft - was ich ihr von Herzen wünsche - ist sie älteste Frau, die einen "thru-hike" bewätligt hat.
Von mir gibt's jetzt zum Abschluss noch ein paar Fotos und ein herzliches Dankeschön an alle, die mich unterwegs mit Kommentaren und emails immer wieder aufgemuntert haben! Das hat mich sehr gefreut und motiviert, meine müden Knochen weiter durch den Wald zu schleppen.

Mit Tina in Atlanta auf dem Weg zum Shuttle in die Wildnis
Drag'nfly mit Hiking Freundin Freckles

Tina und ich an der 100 Meilen Marke


Im nächsten Leben werde ich auch Hostel Besitzer...

Slackpacking ist super - vor allem mit Batman Rucksack

wer fleissig wandert, darf sich auch den größten Burger bestellen

Hydro freut sich über Schoko-Pudding Trail Magic

Schildkröte trifft Quietsche-Ente

King Snake - die tut nix

Neon geniesst es, die 700 Meilen Marke erreicht zu haben

Bär in Shenandoah
Sonnenuntergang in Shenandoah
Mein Rucksack an der 1000 Meilen Marke

Samstag, 21. Juni 2014

21. Juni, Washington D.C.

Mit 4,5 Stunden Verspaetung habe ich es gestern doch noch nach Washington geschafft. Der Trail lehrt einem aber, das beste aus den jeweiligen Gegebenheiten zu machen und so habe ich noch einen schoenen, entspannten Tag in Harpers Ferry verbracht. Ich habe eine sehr gute Eisdiele entdeckt und noch mehr Hiker getroffen. Darunter auch ein Paerchen, das ich seit den Smoky Mountains nicht mehr gesehen habe. Die Wiedersehen sind immer sehr herzlich und es ist schoen, wie sich jeder fuer den anderen freut, es so weit geschafft zu haben.
Und noch eine interessante Sache habe ich gestern beobachtet. Es gibt Menschen, die ihre Freizeit damit verbringen , in Campingstuehlen auf Bahnsteigen zu sitzen und dann mit wirklich exquisiten Fotoapparaten Fotos von vorbeifahrenden Gueterzuegen zu machen. Ja geht's noch...
Zumindest hatte ich gestern noch Zeit fuer einen laengeren Abendspaziergang durch Washington und was ich bisher gesehen habe, gefaellt mir sehr gut. Ich war am Weissen Haus, am Washington Monument und am Lincoln Memorial. Heute moechte ich auf jeden Fall noch ins American Indian Museum.
Somit mache ich mich nun in Wanderklamotten und -schuhen wieder auf in den Grossstadtdschungel. Als Handtasche dient mir gerade eine dezente braune Papiertuete der Appalachian Trail Conservancy... Zum Glueck sind die Amerikaner ja auch nicht immer stilsicher unterwegs. Wer sich mal richtig gruseln will, google mal "Walmartians".
Und hier gibt's auch endlich mal wieder einige Fotos, ich hoffe, sie gefallen euch:
Tinker Cliffs
Tropfsteinhoehle "Grand Caverns"

Cross Keys Weingut

Am MacAfee Knob  

kleiner See entlang des Weges in Virginia

hier geht's lang
Reh in Shenandoah

Blick ins Shenandoah Valley
Shenandoah River
 

bei der Appalachian Trail Conservancy in Harpers Ferry
Blick von Harpers Ferry ueber den Shenandoah River



Da wohnen die Obamas
Lincoln Memorial
World War II Memorial

Freitag, 20. Juni 2014

20. Juni, Harpers Ferry

Mein Zug nach Washington hat vier Stunden Verspaetung. Da wird einem ja die deutsche bahn fast wieder symphatisch. Somit habe ich noch Zeit mir ein bisschen Harpers Ferry anzuschauen und noch einen kleinen Rueckblick auf  Virginia zu schreiben. Angeblich hoeren  20% aller Hiker in Virginia auf, weil sie es so langweilig finden.  Ok, man kommt ueber 500 Meilen an keine Staatsgrenze, aber sonst fand ich es sehr schoen hier. Man laeuft auch mal ueber Wiesen und Weideland und mit McAfees Knob liegt einer der schoensten Flecken des ATs in Virginia. Auch die letzten Tage in Shenandoah haben mir sehr gut gefallen. Die Anstiege werden moderater, man schafft mehr Meilen am Tag und hat immer wieder schoene Ausblicke auf saftig gruene Huegel und Taeler. Ausserdem sieht man viele Tiere. Ich habe insgesamt sieben Baeren gesehen, darunter auch zwei Babybaeren, die sich gerade im Baeumeklettern uebten. In der Regel waren die Baeren sehr scheu oder uninteressiert. Nur der letzte Baer stand ploetzlich unerwartet nahe am Wegesrand und hat sich dann auch noch auf die Hinterbeine gestellt. Obwohl das ein tolles Foto geworden waere, habe ich mich doch fuer zuegiges Weiterwandern entschieden. Da im Nationalpark nicht gejagt wird, sind auch die Rehe ueberhaupt nicht scheu.Oft standen sie mitten auf dem Trail und haben sich erst in letzter Minute bequemt, in den Wald zu traben. Ein ganz vorwitziges hat uns sogar in unserem Zeltlager besucht. Und noch was ist super in Shenandoah. Da die Gegend aufgrund der Panoramastrasse sehr touristisch ist, kommt man einmal am Tag an einem Restaurant, Grillroom oder zumindest einem Andenkenladen vorbei, der ausser Plueschbaeren, Baerentassen und Baerenkuehlschrankmagneten auch snacks und kuehle Getraenke im Angebot hat. Da kann man ganz einfach seinen Energiehaushalt nochmal um 1000 Kalorien erhoehen. Ich gehoere jetzt nicht dazu, aber einige Wanderer sind auf dem Trail ganz schoen abgemagert und kommen wahrscheinlich als wanderndes Skelett in Maine an. Mein Mitwanderer Miracle laesst sich schon super kalorienhaltige Bodybuilder Proteinpuelverchen schicken, um weiteren Gewichtsverlust zu vermeiden.  Mein Taktik war eher, auf den Speisekarten zu schauen, was mehr Kalorien hat. Also Buttermilchpfannkuchen (750 kal.) statt Buchweizenpfannkuchen (250 kal.), dazu noch einen Erdbeervanillesmoothie (500 kal) und der naechste Berg kann kommen.  Wir nur schwierig werden, ab sofort wieder "normal" zu essen. So, jetzt schau ich mal, was Harpers Ferry noch zu bieten hat und dann kommt hoffentlich der Zug, nicht dass ich noch nach Washington laufen muss.

Donnerstag, 19. Juni 2014

19. Juni, Harpers Ferry

Da ich die letzten Tage schwer mit dem Endspurt nach Harpers Ferry beschaeftigt war, habt ihr laenger nichts von mir gehoert. Bin heute nachmittag zwar recht zerstochen, ansonsten aber gesund und munter hier angekommen. Nach Dusche und einer grossen Portion Lasagne freue ich mich nun auf eine Nacht in einem richtigen Bett im sehr netten Teahorse Hostel. Mehr wenn ich ausgeschlafen bin und das beruehmte waffelfruehstueck hier genossen habe.

Freitag, 13. Juni 2014

13. Juni, kurz vor Elkton

Was soll ich sagen - heute den dritten Baeren gesehen, wie er seelenruhig ueber die Strasse (wo auch sonst?) marschiert ist. Diesmal ein eher kleiner, junger Baer. Ansonsten  waren die 20 Meilen heute gepraegt vom Regensachen an und wieder ausziehen.  Es regnet sehr warm, eigentlich verdampft der Regen gleich wieder sobald er den Boden  beruehrt.  Nach dem Regen haben die fiesen kleinen schwarzen Fliegen Hochsaison.  Von den Tieren, die ich auf dem Trail ueberhaupt nicht mag, stehen die ganz weit oben gleich hinter den Zecken. Schlangen und Spinnen werden mir auch nie so richtig ans Herz wachsen, obwohl es da auch voellig harmlose, ja sogar nuetzliche gibt. Erster Tagesordnungspunkt morgen: Ueberwanderung der 900 Meilen Marke.

Donnerstag, 12. Juni 2014

12. Juni, Shenandoah National Park

Nachdem ich ueber zwei Monate keinen Baeren gesehen habe,  waren es nun in den  letzten Tagen gleich zwei. Der erste in den blue ridge mountains, den zweiten heute im Shenandoah National Park. Und fuer beide haette ich nicht mal wandern muessen. Durch beide Regionen fuehren Panoramastrassen, fuer die Menschen, die lieber fahren als laufen. Der Trail kreuzt diese Strassen oefter und genau an diesen Kreuzungen sind die Baeren jeweils wieder zurueck in den Wald getrabt. Genaugenommen scheint die Strasse besser geeignet zum Tierebeobachten als der Wald. Ausser den Baeren habe ich dort auch noch einen Truthahn gesehen und eine lebensmuede Schildkroete,  die versucht hat, auf die andere Seite zu krabbeln . Ich habe sie dann natuerlich ruebergetragen, auch weil hier fuer amerikanische Verhaeltnisse sehr viele Radfahrer unterwegs sind. Und so eine ausgewachsene  Schildkroete unter'm Vorderrad ist jetzt kein Spass. Somit haben wir also gestern die Grenze zwischen Blue Ridge Mountains und Shenandoah ueberwandert. Das ganze bei leichtem Gewitter. Das richtig heftige kam dann abends und hat gleich die Stromversorgung  hier in der Gegend fuer mehrere Stunden lahmgelegt. Da waren wir aber zum Glueck schon im Trockenen.  Heute morgen war's dann entsprechend neblig und feucht. Bei dem Wetter sieht man dann noch ein anderes Tier recht haeufig und zwar den quietsch-orangen "cave salamander". Morgen soll das Wetter wieder besser werden, daher planen wir einen 20 Meilen Tag. Ausserdem muss ich mich auch langsam sputen, damit ich meinen Flieger nicht verpasse. Und noch einen Sightseeing Tag in Washington einlegen kann...

Sonntag, 8. Juni 2014

8. Juni, zero-day

So, heute war's mal wieder an der Zeit fuer einen Nichtwandertag, auch weil fuer den Nachmittag heftige Gewitter gemeldet waren.  Somit haben wir heute ein bisschen Virginia erkundet. Es gibt hier sehr viele Weingueter und wir waren heute auf dem sehr schoen gelegenen "Cross Keys" Weingut und haben an einer kleinen Verkostung teilgenommen.  Eine sehr willkommene Abwechslung vom Wanderalltag. Ausserdem gibt es einige Tropfsteinhoehlen.  Wir haben eine Tour durch die beeindruckend grossen "Grand Caverns" gemacht. Wirklich toll, die Hoehle ist 1,5 Meilen lang, somit sind wir doch ein wenig  gewandert, wenn auch unterirdisch. Morgen stehen 20 Meilen auf der Erdoberflaeche auf dem Programm, womit dann die 800 Meilen Marke geknackt wird.

Donnerstag, 5. Juni 2014

5. Juni, Basislager Harrisonburg

Basislager? Zusammen mit meinen beiden amerikanischen Mitwanderern Miracle und HYydro wohne ich nun fuer eine Woche in einer Ferienwohnung. Diese hat uns Miracles Frau Susan organisiert. Susan war die ersten 300 Meilen auch mit auf dem Trail, hatte dann aber genug vom Waldleben. Sie faehrt uns dann die naechstem Tage zum Trail und holt uns dann abends nach verrichteter Wanderarbeit  wieder ab. Es gibt also abends eine Dusche und ein richtiges Bett ! Da meine Tage auf dem Trail langsam zu Ende gehen, ist das vielleicht eine  ganz gute Wiedereingliederungsmassnahme. Nicht dass ich in Ingolstadt mich und meine Klamotten weiterhin im Fluss wasche und abends meine Isomatte auf dem Balkon ausrolle.   Gestern haetten es eigentlich einfache 20 Meilen von Cloverdale nach Buchanan werden koennen.  Gemuetliche Serpentinen, knieschonender weicher Waldboden. Gegen Mittag dann ein kleiner Regenschauer, anschliessend war's dann wie Wandern im Dampfbad, aber das Beste kam noch: Auf den letzten 1,5 Meilen hat uns noch Gewitter mit waschstrassen-aehnlichen Regenfaellen und Hagel erwischt. Zumindest habe ich waehrend des Gewitters meine erste Schildkroete auf dem Trail gesehen. Da sich der Weg in einen kleinen Fluss verwandelt hatte, hat sie sich offensichtlich sehr wohl gefuehlt. Im Gegensatz zu uns begossenen Pudeln...  Meinen ersten Baeren habe ich gestern wieder knapp  verpasst. Der Wanderer vor mir hat ihn gesehen, bis ich dann angeschnauft kam, war der Baer nur noch lautes Aesteknacken im Unterholz. Und noch eine Tiergeschichte zum Abschluss: An sich finde ich es ja sehr schoen, hier nicht von einem Wecker sondern von Vogelgezwitscher geweckt zu werden. Dann  gibt's aber einen Vogel namens  Whipperwill, der nicht zwitschert, sondern immer wieder die gleiche Tonfolge von sich gibt. Klingt eher wie ein nerviger Klingelton. Und das posierliche Tierchen ist nachtaktiv.  Vor einigen Tagen hatte ich einen dieser Piepmaetze in unmittelbarer Naehe des shelters sitzen . Um zehn hat er angefangen zu singen bis nach Mitternacht. Und um vier ging' s wieder los.  Dann habe ich auch den Eintrag im  Shelterbuch  verstanden : "would somebody please shoot the Whipperwill?"  Ich hab dann "yes please" druntergeschrieben.

Dienstag, 3. Juni 2014

3. Juni, Cloverdale

Zuerst einmal Alles Gute zum Geburtstag: Ulli A., Georg P. , Georg J., Anja, Max und  Claudia und alle anderen Geburtstagskinder der ERSTEN Junihaelfte, die ich evtl. vergessen habe. Diverse Leute haben mir erzaehlt, dass es nach Damascus viel einfacher wird. Ok, die Berge sind nicht mehr so hoch, dafuer moegen die Leute, die den Trail anlegen, anscheinend keine serpentinen. So geht der Weg oft schnurgerade und sehr steil den berg hoch. Der mit Abstand schwierigste Teil ging allerdings gar nicht bergauf sondern bergab: Der Abstieg von der Felsenformation " dragon's tooth", eine arge Kraxelei ueber  steile Felswaende. Ohne Rucksack haette es wahrscheinlich sogar Spass gemacht, mit dem Riesending auf dem Buckel war es aber schon eine echte Herausforderung heil unten anzukommen. Gleich danach habe ich noch die 700 Meilen Marke ueberwandert, somit  war  es Zeit fuer eine Belohnung: Essen im The Home' s  Place. Das restaurant hat keine Speisekarte, es werden einfach viele  Schuesseln mit feinen Sachen auf den Tisch gestellt und jeder nimmt sich was und wieviel er will.  Es war eine lustige Gaesteschaar, huebsch  angezogene amerikanische Familien, dazwischen die abgekaempften Wanderer. Haben sich aber alle gut verstanden. Am darauffolgenden Tag die naechsten Highlights, der  Felsvorsprung McAfee Knob und die Tinker cliffs. Von beiden Orten tolle Ausblicke ueber Virginia. Am McAfee Knob haben wir dann noch die Asche eines Wanderes verstreut. Hier die Story dazu: Der Mann  ist den Trail  gewandert und ist dann letztes Jahr mit gerade mal 60 Jahren an Krebs gestorben. Sein letzter Wunsch war,  dass seine Asche auf dem Weg verstreut wird .  Ich haette jetzt erwartet,  dass seine Familie diesem Wunsch bei einer Wanderung nachkommt. Statt dessen hat jedoch  seine Witwe seine Asche portionsweise in tupperdosen abgefuellt und diese in einem hiker hostel in hot springs  deponiert .   Der Hostelwirt hat dann seine  Gaeste gefragt,  ob sie eine Dose Asche mitnehmen und unterwegs verstreuen.  Mein Mitwanderer Hydro hat somit eine der Dosen 450 Meilen durch die Gegend getragen und wir haben wirklich einen der schoensten Plaetze auf dem Trail zum Verstreuen ausgesucht. Soviel an Trailgeschichten fuer heute, ich hoffe, dass ich die naechsten Tage mal wieder Fotos hochladen kann.